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Die CO2-Bilanz der Brücken kann um 75 % reduziert werden

Es können zahlreiche Maßnahmen ergriffen werden, um die CO2-Bilanz der Frankfurter Brücken auf ein Viertel zu reduzieren: Zu den wichtigsten Hebeln gehören die Nutzung von fast CO2-neutral produziertem Stahl, die Begünstigung klimafreundlicher Fahrzeug-Antriebsenergie und die Erzeugung von grünem Strom. Ferner kann dort, wo auf den Brücken keine Gebäude stehen, CO2-armer Beton eingesetzt werden – als Schaufenster der Innovation.

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Es folgen drei Abschnitte: Problem, Hebel, Ausblick

Im ersten Abschnitt wird dargestellt, in welchen Größenordnungen Infrastruktur-Projekte CO2-Emissionen verursachen und wie wichtig somit die Reduktion für ALLE Infrastrukturprojekte in Deutschland und weltweit ist.

Im zweiten Abschnitt werden die Hebel vorgestellt, die zur Verkleinerung des materialbedingten CO2-Fußabdruckes der Frankfurter Brücken herangezogen werden.

Im dritten Abschnitt wird zusammengefasst, wie ganz Frankfurt mithilfe der Frankfurter Brücken sein Klimaziel langfristig erreichen kann.

Im Vergleich zu anderen Infrastrukturprojekten wird für die Frankfurter Brücken der CO2-Fußabdruck durch eine Vielzahl von Hebeln deutlich reduziert.

Darüber hinaus unterscheiden sie sich von anderen Infrastrukturprojekten durch ihre vielfältigen Funktionen in Bezug auf Umwelt, humanen Wohnraum und vor allem in puncto Forschung: Da mit Stahl bewehrte Betonbauten so CO2- intensiv sind, wird dringend ein Technologie-Schaufenster wie die Frankfurter Brücken es darstellen benötigt, um aufzuzeigen, mit welchen innovativen Mitteln Infrastruktur-Projekte der Zukunft deutlich CO2-ärmer ausgestaltet werden können.

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Legt man konventionelle Methoden zugrunde, sind die Frankfurter Brücken in puncto THG-Ausstoß vergleichbar mit anderen Infrastrukturprojekten dieser Größenordnung

Obwohl die Frankfurter Brücken viele positive Zwecke erfüllen und nicht so viele THG-Emissionen wie Tunnelbauwerke und Tiefverlegungen erwarten lassen, ist der Emissionswert von rund 1,5 Mio. Tonnen THG (CO2-äquivalenter THG-Ausstoß*) aus Baumaterialien immer noch zu hoch. Sämtliche Reduktionsmöglichkeiten müssen daher ausgelotet und umgesetzt werden.

CO2-äquivalenter THG-Ausstoß

Neben Kohlenstoffdioxid (CO2) – dem wohl bekanntesten Treibhausgas – gibt es weitere klimawirksame Treibhausgase wie Methan (CH4) oder Lachgas (N2O).

Da sich deren Treibhauspotenzial von dem des CO2 unterscheidet, werden sie üblicherweise in CO2-Äquivalente (CO2e) umgerechnet. Beispielsweise trägt eine Tonne Methan auf 100 Jahre gesehen 28-mal so stark zum Treibhauseffekt bei, wie eine Tonne CO2 - entspricht also 28 Tonnen CO2-Äquivalenten.

Da CO2 im Baugewerbe nicht nur das relevanteste der Treibhausgase ist, sondern auch den größten Anteil an dem THG-Gemisch darstellt, ist in vielen Statistiken von CO2-Äquivalent oder auch sogar nur von CO2-Ausstoß die Rede, selbst wenn bei den Werten häufig noch die anderen Treibhausgase subsumiert sind.

Das Konzept der Frankfurter Brücken setzt jedoch an allen verfügbaren Hebeln an, um den potenziellen Treibhausgas-Ausstoß zu reduzieren

Würden die Frankfurter Brücken von heute auf morgen, mit herkömmlichen Baumaterialien und ohne Rücksicht auf den CO2-Abdruck des Verkehrs und der Energieerzeugung gebaut werden, so würden die für die Herstellung des benötigten Stahls und Betons anfallenden CO2-Emissionen von rund 1,5 Mio. Tonnen unvermindert zum globalen Klimawandel beitragen – so wie dies häufig bei anderen, vielfach scharf kritisierten Bauprojekten dieser Größenordnung geschehen ist oder zu erfolgen droht. Nimmt man jedoch alle verfügbaren Einsparpotenziale ins Visier, dann lassen sich die THG-Emissionen der Frankfurter Brücken um rund drei Viertel – also mehr als 1,1 Mio. Tonnen CO2 – senken!

Die Berücksichtigung dieser unterschiedlichsten Hebel führt zu einer Reduktion der THG-Emissionen von knapp 75 %

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Die Frankfurter Brücken haben anderen großen Infrastruktur-Projekten gegenüber noch einen weiteren Vorteil: Während andere Projekte in Deutschland als primären Nutzen lediglich dem Transport dienen, weisen die Brücken weitaus mehr Funktionen auf

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Die Frankfurter Brücken bieten ganz konkreten Nutzen für die Bürger der Stadt Frankfurt – aber darüber hinaus haben sie einen noch viel größeren Vorteil für alle deutschen Städte, Städte in Europa und weltweit:

Denn sie sind ein Schaufenster der Innovationen für Technologien und Konzepte zur Förderung von Nachhaltigkeit und Humanität in der Großstadt.

Sie sind ein Areal technologischer Innovationen:

Autonom fahrendes Verkehrssystem

Verpackungsarme Quartiere durch Systeminnovation

Energieversorgung durch Photovoltaik und Geothermie

Bidirektionale Nutzung und damit Speicherung von erneuerbarer Energie im Auto

Nutzung der Abwärme von Rechenzentren und Industrie

Stadtnahes Versickerungskonzept zur Grundwasseranreicherung

Teilstreckenbau mit CO2-armem Beton

Gebäudebau mit CO2-armer Bauphysik

Teststrecken zur Optimierung von trockenresistentem Stadtgrün und kunststoffarmer Dach-/ Fassadenbegrünung

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Die Brücken sind auch eine Plattform für innovative gesellschaftliche Konzepte:

Arbeitsplätze mit integrierter Weiterbildung

Humane Übernachtungsstrukturen für Obdachlose

Verbindung von Senioren-Gärten mit Kleinkinder-Gärten

Arbeits- und Verdienstmöglichkeit für Menschen, außerhalb des gesellschaftlichen Netzes

Arbeitsplatznaher und bezahlbarer Wohnraum für Menschen mit sozialen Berufen

Möglichkeiten zum Studium im IT-College ohne Bildungsabschlüsse/Zeugnisse

Wiederbelebung von Handwerkskunst für ressourcenschonende Bau- und Reparaturkultur statt Wegwerfmentalität

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Beim „Return on Investment“ für alle CO2-Emissionen, die unser Klima zukünftig massiv belasten, ist stets der „Return“ zu maximieren – im Falle der Brücken geschieht dies zusätzlich durch ihre erweiterte gesellschaftliche Funktion

Exkurs: Rund 1,5 Mio. Tonnen Treibhausgase für ein Infrastruktur-Projekt aus Beton und Stahl – der Bewehrungsstahl und der Zement im Beton sind in der Materialzusammensetzung der wichtigste Treiber für CO2-Emissionen

Haupttreiber der THG-Emission bei Stahlbeton sind der Zement im Beton und der Stahl, der entweder als Bewehrung, d.h. zur Verstärkung, im Beton integriert ist oder als Stahlstützen in den Infrastrukturprojekten zusätzlich zum Beton verbaut wird. Leider kann auf keinen der beiden Bestandteile komplett verzichtet werden: Der Stahl gibt Stabilität und der Zement ist eine Art „Kleber“, der bewirkt, dass die Gesteinskörnung zusammenhaftet und nicht zerfällt.

Die Zementindustrie ist generell für rund 7 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich

Wieso ist der Zementanteil im Beton so emissionsträchtig?

Rund 45 Prozent der Zement-Emissionen entstehen, weil man Hitze und Strom braucht: Rohmaterialien wie Kalkstein, Ton, Sand und Eisenerz müssen getrocknet und gemahlen werden (der wichtigste Bestandteil hierbei ist der Kalkstein, wie im Laufe des Kapitels noch erläutert wird).

Sodann wird das gemahlene Rohmaterial bei 1.450 Grad Celsius gebrannt – ein sehr energieintensiver Vorgang, wie man sich bei diesen Temperaturen vorstellen kann. Doch damit nicht genug: Das zu „Klinker“ gebrannte Material muss danach nochmal gemahlen werden, diesmal noch viel feiner als zuvor. Erst dann ist der Klinker einsatzbereit.

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Bei diesem energieverschlingenden Prozess wird allerdings nur knapp die Hälfte der gesamten CO2-Emission freigesetzt. 55 Prozent der Emissionen entstehen nicht aufgrund der benötigten Energie für Temperatur und das Zermahlen, sondern bei einem chemischen Prozess während des Erhitzens, bei dem CO2 als ein Endprodukt entsteht – für alle, die sich noch an den Chemie-Unterricht erinnern:

Kalk kommt in der Natur nicht als reines Ca (Calcium) vor, sondern als Calciumcarbonat: CaCO3. Benötigt wird aber für die Herstellung von Zementklinker Calciumoxid: CaO (als Zwischenprodukt – aus dem die eigentlich wichtigen Zementbestandteile, nämlich Calciumsilikate, entstehen). Will man also Calciumoxid gewinnen, lautet die Formel durch die Zugabe von Hitze:

CaCO3 → CaO  + CO2

Die komplett transparente Bilanzierung von Energieverbräuchen und Treibhausgas-Emissionen im Verhältnis zum Nutzen von Bauwerken muss fester Bestandteil von Planfeststellungsverfahren werden

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Zum Bau der Frankfurter Brücken werden pro Kilometer für den Gesamt-Brückenkorpus rund 50.000 Kubikmeter Stahlbeton benötigt, da die Brücken im Schnitt etwa 35 Meter breit sind. Zum Vergleich: Ein zweigleisiger U-Bahn-Tunnel ist ca. 15 Meter breit und verbraucht durchschnittlich rund 20.000 Kubikmeter Stahlbeton pro Kilometer – also eine durchaus vergleichbare Materialmenge. Allerdings lassen sich auf einem U-Bahn-Tunnel keine Gebäude im Sinne einer Mehrfachnutzung des Stahlbetons errichten, so wie es bei den Frankfurter Brücken möglich ist.

Würde die gesamte 60 km lange Strecke der Frankfurter Brücken in Stahlbeton gebaut werden, beliefe sich der Materialbedarf auf rund 3 Mio. Kubikmeter Beton samt 365.000 Tonnen Stahl.

Zum Vergleich:

Der Berliner Flughafen hat etwa 1,3 Mio. Kubikmeter Beton verschlungen.

Bei Stuttgart 21 werden ebenfalls rund 3 Mio. Kubikmeter Beton verbraucht – ohne die vier Zusatztunnel, die jetzt noch hinzukommen sollen.

Für den Fehmarnbelt-Tunnel werden lediglich 3,2 Mio. Kubikmeter Beton veranschlagt mit nur 360.000 Tonnen Stahl – allerdings müssen zusätzlich für den Bauabschnitt in der Mole 2,2 Mio. Tonnen Granit angeliefert und verbaut werden.

Bei den Frankfurter Brücken müssen alle Register gezogen werden, um die Treibhausgas-Emissionen des Bauvorhabens zu senken und zu kompensieren – als Vorbild für andere Infrastrukturprojekte

Die Frankfurter Brücken zählen angesichts ihres Bauumfangs zu der Gruppe von Infrastruktur-Projekten, die für die exorbitante Größenordnung ihrer Treibhausgasemissionen häufig in die Kritik geraten.

Es wird Zeit, dass alle Projekte dieser Größenordnung auf ihre Treibhausgas-Nutzen-Balance überprüft werden und dass im Rahmen von Planfeststellungsverfahren transparente aussagekräftige Ökobilanzen erstellt werden müssen – die auch gleichzeitig Potenziale aufzeigen, wie CO2- und sonstige Treibhausgas-Emissionen vermindert werden können.

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Auch die Frankfurter Brücken müssen gründlich auf ihre THG-Nutzen-Bilanz hin geprüft werden: Wenn alle Register gezogen werden, können die materialbedingten Treibhausgasemissionen durch den Bau der Brücken um rund drei Viertel reduziert bzw. ausgeglichen werden – durch Ersatzmaterialen beim Bau der Brücken, kompensatorische Funktionen der Brücken als Bauwerk und Energie-reduzierende Prozesse auf den Brücken.

Wieviel sind 1,5 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente bezogen auf Frankfurt?

Ein erwachsener Mensch atmet pro Jahr ca. 0,4 Tonnen CO2 aus. Rund 1,5 t CO2 p.a. stößt ein PKW aus, der 10.000 km pro Jahr fährt. 80 Buchen schaffen es, rund 1,0 t CO2 pro Jahr zu binden. Man benötigt also schon 120 Buchen, um die 1,5 t CO2-Emission eines PKW mit Verbrennungsmotor wieder aus der Luft aufzunehmen.

Ganz schwierig wird es mit der Kompensation der CO2-Emission durch Baumpflanzungen, wenn man die Stadt als Ganzes betrachtet: Die Gesamtemission von Frankfurt liegt derzeit schätzungsweise bei ca. 7.000.000 t CO2-Äquivalenten pro Jahr, davon entfallen rund 1.600.000 t CO2e auf den Fahrzeugverkehr.

1,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente sind also richtig viel, selbst wenn sie nur einmalig anfallen und nicht jährlich. Denn einerseits könnte man argumentieren: Was sind schon rund 1,5 Mio. Tonnen CO2-Emission für den Bau eines Projektes, wenn wir in Frankfurt allein durch unseren Kraftfahrzeug-Verkehr 1,6 Mio. Tonnen CO2 jährlich in die Luft blasen? Nun, genau deshalb haben wir ein Klima-Problem drastischen Ausmaßes, weil sich all das CO2 – einmal freigesetzt – nur mühsam wieder binden lässt.

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Um wirklich zu verstehen, wie dramatisch jede Million Tonnen CO2 ist, die in die Atmosphäre abgegeben wird, braucht man nur zu den Buchen zurückzukehren: Man müsste zur CO2-Kompensation der Frankfurter Brücken vor Baubeginn 800.000 Buchen pflanzen, damit nach 100 Jahren 1 Mio. Tonnen aus der Luft geholt werden (unter der vereinfachten Annahme einer gleichbleibenden CO2-Bindungsrate).

Nun haben wir mit den Folgen des Klimawandels leider nicht 100 Jahre Zeit, also müssten mindestens 2.000.000 Buchen gepflanzt werden, um wenigstens nach 40 Jahren 1 Mio. Tonnen CO2 wieder gebunden zu haben.

Nur zum Vergleich: Ganz Frankfurt hat im Stadtgebiet nur 200.000 Bäume. Für die 2 Mio. benötigten Kompensations-Bäume gäbe es im ganzen Rhein-Main-Gebiet nicht genug Platz.

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Wieviel sind 1,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente bezogen auf Deutschland?

Von den knapp 740 Mio. Tonnen Treibhausgasen (CO2-Äquivalente), die Deutschland pro Jahr (2020) emittiert, ist der mit Abstand größte Teil CO2. Mit seinen 7 Mio. Tonnen Treibhausgasen trägt Frankfurt zu rund einem Hundertstel zur gesamtdeutschen THG-Emission bei – analog zu seiner Bevölkerung von rund 800.000 Einwohnern, die ebenfalls ein Hundertstel der 80 Mio. Menschen in Deutschland ausmachen.

Wie steht Deutschland da im Vergleich zum Rest der Welt?

Deutschland belegt mit seinen rund 675 Millionen Tonnen CO2 p.a. derzeit Platz 7 der emissionsstärksten Nationen der Welt und ist für ca. 1,8 % des globalen CO2-Ausstoßes von rund 35 Milliarden Tonnen CO2 verantwortlich. Somit ist der Anteil an den weltweiten Emissionen zwar gering, doch angesichts dessen, dass Deutschland nur 1 % der Weltbevölkerung stellt, immer noch überdurchschnittlich hoch, was sich auch im Vergleich der pro Kopf gerechneten CO2-Emissionen widerspiegelt.

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Das 11-Hebel-Konzept, durch welches die CO2-Emissionen der Frankfurter Brücken signifikant reduziert werden sollen, fußt auf einer Kombination sehr unterschiedlicher Wirkungspfade.

So wird die CO2-Bilanz der Brücken zum einen dadurch verbessert, dass auf Baumaterialien gesetzt wird, die natürlicherweise oder verfahrensbedingt weniger CO2-intensiv sind.

Zum anderen fungieren die Brücken konstruktiv als Bestandteile von Gebäudehüllen, für die der Materialverbrauch und somit CO2-Emissionen an anderer Stelle entfallen.

Daneben sind die Frankfurter Brücken auch Initiator für strukturelle Veränderungen im Verkehrs- und Energiesektor, mit denen sich eine dauerhafte und überregionale CO2-Vermeidungsstrategie verfolgen lässt.

Für jeden der 11 Hebel wird die entsprechende Wirkungsweise erläutert und die jeweils anzunehmende CO2-Ersparnis quantifiziert.

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Hebel 1 – Hebel 2 – Hebel 3: Es gibt verschiedene Ansätze, die CO2-Bilanz von großen Infrastruktur-Projekten zu verbessern

Zum Beispiel, indem man auf herkömmliche, emissionsträchtige Baustoffe verzichtet und auf andere Materialien umsteigt. Dies lässt sich über drei Hebel bewerkstelligen:

Hebel 1 – Ökobeton: Man reduziert den Zementanteil im Beton durch innovative Materialkonzepte - sogenannten Ökobeton.

Hebel 2 – Stahlersatz: Man ersetzt den Stahlanteil im Beton und/oder den Stahl im sonstigen Bauwerk durch Karbonfasern, Bambus u.a.

Hebel 3 – Betonersatz: Man ersetzt den Beton komplett, z.B. durch Naturstein oder Holz.

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Hebel 1 – Ökobeton: Man reduziert den Zementanteil im Beton durch innovative Materialkonzepte

Es gibt zahlreiche erfolgversprechende Forschungsansätze, den Einsatz von Zement zu reduzieren. Dennoch wird nach wie vor zum größten Teil der herkömmliche Zement verbaut.

Es mangelt nicht an guten Ideen, sondern es ist vielmehr schwierig, die gefundenen Lösungen zur Zulassung zu bekommen, weil ihr Einsatz – per definitionem – im Vorfeld nicht jahrelang an großen Bauwerken erprobt werden konnte.

Auch die Zementindustrie bemüht sich um die Verbesserung ihrer CO2-Bilanz, allerdings eher indem sie an Prozessoptimierung arbeitet, um Strom und Brennstoff zur Erhitzung zu sparen und nicht so sehr, um grundsätzlich andere Materialmischungen anzuwenden.

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Der Grund, warum weder Forschung noch Industrie mit komplett neuen innovativen Superlösungen aufwarten, ist ganz einfach: Die mithilfe von Zement hergestellten Bauten müssen höchsten Qualitätsanforderungen sowie strengen Sicherheits- und Gewährleistungs-Aspekten genügen, denn bei der Stabilität von Bauten geht es immer gleich um Menschenleben.

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Und selbst wenn dies nicht so wäre, ist zu bedenken, dass die Investitionen bei jedem größeren Bauwerk extrem hoch sind – man also nicht einfach nach dem Trial-&-Error-Prinzip ganze Reihen von Innovationen versuchsweise testen kann.

Zu guter Letzt ist auch zu berücksichtigen, dass es nicht reicht, wenn man ein Gebäude mit innovativem Beton baut und es einige Jahre stabil ist und hält. Die wirkliche Güte einer Beton- oder auch Stahlbeton-Innovation zeigt sich erst nach Jahrzehnten.

Beton ist eine komplexe Mischung: Es gibt viele Punkte, an denen zur Einsparung von CO2 angesetzt werden kann

Die Rezeptur-Veränderung kann mit Ersatzstoffen arbeiten, veränderte Mischungsverhältnisse ermöglichen – durch Additive oder Verfahrensänderungen – oder auch durch Veränderung von Korngrößen durch feinere Mahlprozesse günstigere Anteilsverhältnisse der Einsatzstoffe bewirken, sodass weniger Zement benötigt wird.

Der Zement – mit Wasser gemischt – funktioniert wie ein Kleber (Leim), der sich um die Gesteinskörnung im Betongemisch legt und dann aushärtet (kristallisiert).

Möglichkeit 1: Die Gesteinskörnung des Betongemischs so optimieren, dass weniger Zement zum „Verkleben“ benötigt wird:

Entweder durch feinere, dichtere Körnung oder durch Veränderung der Oberfläche der Körnung oder durch die Wahl einer Gesteinsart, an welcher der Haftungsprozess gut funktioniert.

Der Zement selbst ist bereits ein Gemisch, das allerdings hauptsächlich aus Kalzium-Silikaten besteht.

Möglichkeit 2: Das benötigte Kalziumoxid im Zement, das für 55 % seiner CO2-Emissionen verantwortlich ist, reduzieren, indem man in Teilen andere hydraulische Bindemittel hinzufügt, die weniger Kalk und Energie benötigen.

Möglichkeit 3: Die Zementmischung mit veränderter Zusammensetzung so ausfeilen, dass man sogenannte „Eco-Mikro-Füller“ hinzufügen kann: feingemahlene Stoffe aus der Region.

Je nach Forschungsansatz werden zwischen 30 % und 70 % Reduktion der CO2-Emissionen durch neue Betontechnologien erwartet

Um weltweit anzufangen mit diesen modernen Rezepturen zu bauen, müsste allerdings noch viel intensiver untersucht werden, wie dauerhaft diese neuen Betone im echten Leben sind. Es fehlen prototypische Bauwerke. Und hier kommen die Frankfurter Brücken ins Spiel . . . .

Wenn nur 5 der über 60 Kilometer langen Strecke mit einem Ökobeton gebaut werden, der 50 % weniger Emissionen verursacht als herkömmlicher Beton, würde dies eine Einsparung von 20.000 Tonnen Zement-induziertem CO2 bedeuten

Hebel 2 – Stahlersatz: Bewehrung aus Carbon statt Stahl

Carbonbeton besteht aus zwei Komponenten: Beton und Bewehrung, nur in diesem Fall nicht aus Stahl, sondern aus Kohlenstofffasern in Form von Matten und Stäben.

Carbonbewehrungsmaterial hat im Vergleich zu Stahlbewehrung zwei große Vorteile: Es besitzt eine 5-mal so große Zugfestigkeit wie Stahl, sodass im Vergleich weniger Bewehrungsmaterial benötigt wird. Außerdem ist Carbonbewehrung gegenüber den Beanspruchungen im Bauwesen chemisch inert und muss nicht wie die Stahlbewehrung durch eine mehrere Zentimeter dicke Betondeckung vor Korrosion geschützt werden.

Für Bauteile aus Carbonbeton kann somit Material eingespart werden und deutlich dünner ausgeführt werden. Die CO2-Einsparung beim Einsatz von Carbonbewehrung statt Stahl wird auf 30 % geschätzt.

Von den 1.500.000 Tonnen CO2-Abdruck der Frankfurter Brücken stammt rund ein Drittel, nämlich 525.000 Tonnen aus Stahl. Wenn ein Fünftel davon durch Carbon ersetzt wird, dann reduzieren sich die 105.000 Tonnen CO2-Emission um ca. 35.000 Tonnen – die indirekte Reduktion durch verringerten Betonverbrauch noch nicht miteingerechnet.

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Stefan Groeschel - TU Dresden

Ersetzt man ein Fünftel des Stahls durch Carbonbewehrung, lassen sich mindestens 35.000 Tonnen CO2 einsparen

Hebel 3 – Betonersatz durch regionale Natursteine oder Holz

Anstelle von Stahlbeton können manche Streckenabschnitte der Frankfurter Brücken auch mithilfe von regionalen Natursteinen oder aus Holz gebaut werden.

Dort, wo die Brücken über alten Baumbestand hinwegführen, könnten Viadukt-ähnliche Quaderbauten oder gemauerte Viadukte eine Lösung sein: So könnten sie sich auf schlanken Säulen als fünf Meter breites Band zum Beispiel durch die Senckenberganlage schlängeln. Als geeignete Natursteine für solche Quaderbauten kommen der rote Mainsandstein und der Taunusquarzit in Frage, die in regionalen Steinbrüchen nahe  Frankfurts abgebaut werden. Insbesondere der rote Mainsandstein eignet sich nicht nur für kunsthandwerkliche Ausgestaltungen, sondern auch als schützende Verkleidung für den Beton der Brücken, um diesen vor Korrosion zu bewahren.

Die Meisterakademie für Kunsthandwerk soll die fachliche Kapazität dafür bereitstellen, denn kaum einer kann das heute noch. Doch nicht nur das Handwerk, auch die Statiker sind gefragt: Schließlich halten viele Bauwerke zwar schon seit Jahrhunderten, mit modernen Nachkriegs-DIN-Normen können sie jedoch nicht berechnet werden.

Die Wiederentdeckung von traditionellen Bauweisen mit CO2-armen Materialien wird deshalb eine Herausforderung. Die Verwendung von Holz auf dem Bau ist als nachwachsender Rohstoff ohnehin erwünscht – bei den Frankfurter Brücken allerdings nur in bestimmten Abschnitten möglich: Geeignet sind da in erster Linie Strecken, auf denen keine Gebäude stehen, sondern nur Fahr- und Spazierwege entlang führen, da dies eine deutlich geringere Last mit sich bringt.

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Hans Weiske

Ersetzt man rund 1,5 km der Beton-Brückenstrecken mit Naturstein und 4,5 km mit Holz, so ergibt sich eine Einsparung von 55.000 Tonnen CO2

Die Auswahl der Abschnitte für den Bau mit Naturstein, Holz oder auch Ökobeton erfolgt in erster Linie dort, wo keine Gebäude auf den Brücken stehen

Naturstein kann dort zum Überspannen von alten hohen Bäumen verwendet werden, wo große massive Säulen gegründet werden können. Außerdem sehen Brückenabschnitte auf hohen „Stelzen“ schöner aus, wenn sie im Talbrücken-Stil gemauert sind.

Holz kommt an den Stellen zur Anwendung, wo keine Fahrbahnen auf der Strecke verlaufen bzw. wenn es Fahrbahnen gibt, die jedoch nicht stark frequentiert sind. Die Holzkonstruktionen haben dem Naturstein gegenüber den Vorteil, dass sie auch ohne hohe Mauerbögen breite Abschnitte überspannen können.

Ökobeton ist genau wie herkömmlicher Beton einsetzbar, allerdings wird auch er nur an den Stellen verwendet, wo keine Gebäude auf den Brücken stehen, da es noch keine Langzeit-Erfahrungen mit diesen Materialien gibt und im Falle einer Sanierung in einigen Jahrzehnten keine anderen Bauwerke mit betroffen wären.

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An mehreren Stellen der Brücken gibt es Abschnitte, die für den Bau aus anderen Materialien als herkömmlichem Beton geeignet sind

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Viele Streckenabschnitte der Frankfurter Brücken sind nicht mit Häusern bebaut, sondern dienen als Verkehrsverbindung, Spazierwege oder Grünflächen.

Diese Areale eignen sich als Testabschnitte, an denen die Brücke aus Ökobeton gebaut wird, der zwar ausgereift ist, aber noch nicht in großem Maßstab und für längere Zeiträume getestet worden ist.

Die Areale müssen von Forschung und Industrie beobachtet und geprüft werden, und anhand von regelmäßigen Tests und Auswertungen ist sicherzustellen, dass etwaiger Sanierungsbedarf frühzeitig erkannt wird. Befinden sich keine Gebäude darauf, dann sind potentielle Sanierungen zwar mühsam, aber schneller und ohne allzu viel Aufwand durchzuführen.

Alternativ ist auf solchen Abschnitten auch der Einsatz von Ziegel- oder Naturstein-Mauerwerk oder Holz in Betracht zu ziehen.

Hebel 4 – Hebel 5: In Zukunft wird sich durch neue Verfahren in der Zement- und Stahlindustrie aber auch die CO2-Bilanz von herkömmlichen Baumaterialien deutlich verbessern

Eine Schlüsselrolle spielt hierbei Grüner Wasserstoff, der es ermöglicht, die Freisetzung des klimaschädlichen Treibhausgases in die Atmosphäre stark zu reduzieren. Da sowohl bei der Zementherstellung als auch bei der Stahlproduktion solch innovative Verfahren zunehmend ins Visier rücken, kommen für die CO2-Bilanz der Frankfurter Brücken zwei weitere Hebel hinzu.

Hebel 4 (Beton) – Carbon Capturing bei der Zementherstellung: Die Abscheidung und Weiterverwendung des bei der Zementherstellung entstehenden CO2 ermöglicht es, klimafreundlichere Betone für die Frankfurter Brücken zu verwenden.

Hebel 5 (Stahl) – CO2-Einsparung bei der Stahlproduktion mithilfe von Wasserstoff: Durch ein innovatives Verfahren zur Substitution von Koks durch Wasserstoff als Reaktionspartner bei der Gewinnung von Eisen aus Eisenerz können die CO2-Emissionen für Stahl drastisch gesenkt werden.

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Hebel 4 – Carbon Capture bei der Zementherstellung

Bei der Zementherstellung wird dem eigentlichen Produktionsprozess ein Elektrolyse-Verfahren vorgeschaltet, in welchem Wasser mithilfe von Wind- oder Solarenergie in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten wird. Der reine Sauerstoff kann dann der Drehofenanlage anstelle von „normaler“ Luft zugeführt werden (Oxyfuel). Dies hat den Vorteil, dass das beim Verbrennungsvorgang entstehende CO2 frei von Verunreinigungen bleibt und das Treibhausgas abgefangen werden kann (Carbon Capture). Anschließend wird das abgeschiedene CO2 zusammen mit dem Wasserstoff aus der Elektrolyse in andere Rohstoffe umgewandelt, wie zum Beispiel synthetische Treibstoffe. Auf diese Weise kann die Klimawirksamkeit von einem Großteil der in der Zementindustrie anfallenden CO2-Emissionen unterbunden werden. Da das beschriebene Verfahren derzeit großtechnisch erprobt wird und für die nächsten Jahre von dessen zunehmender Implementierung in den Herstellungsprozess ausgegangen werden kann, werden davon auch die Frankfurter Brücken profitieren.

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Bei konservativer Schätzung wurde eine Einsparung von 5 Prozent der CO2-Emmissionen, i.e. 50.000 Tonnen CO2 durch Carbon Capture angenommen

Hebel 5 – CO2-Einsparung bei der Stahlproduktion mithilfe von Wasserstoff

Besonders groß ist das Einsparpotential für CO2-Emissionen bei der Stahlproduktion. Die bisherige Hochofenroute, bei der das Eisenerz mithilfe von Kohle oder Koks zu Roheisen reduziert wird und gewaltige Mengen von Treibhausgasen freigesetzt werden, kann schon in naher Zukunft durch ein neuartiges wasserstoffbasiertes Verfahren abgelöst werden. Auch hierbei wird zunächst mittels Elektrolyse grüner Wasserstoff erzeugt, unter dessen Einsatz in einer Direktreduktionsanlage anschließend das Eisen aus dem Eisenerz gewonnen werden kann, bevor es in einem Elektrolichtbogen zu Rohstahl verarbeitet wird.

Durch den Verzicht auf fossile Energieträger können somit bis zu 95 % der CO2-Emissionen direkt vermieden werden. Würde man den gesamten Stahlbedarf der Frankfurter Brücken durch derart hergestellten Stahl decken, ließen sich rund 500.000 Tonnen CO2-äquivalente THG-Emissionen einsparen.

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Aufgrund der starken Nachfrage und entsprechend zu erwartenden Engpässen in der Lieferung von Stahl wird für die Frankfurter Brücken eine Einsparung von 50 Prozent, i.e. rund 265.000 Tonnen CO2 angesetzt

Hebel 6 – Hebel 7: Die Möglichkeiten zur Verringerung des CO2-Ausstoßes reichen jedoch über die Materialien des Brückenkorpus hinaus

Denn die Frankfurter Brücken schaffen auch viele Potentiale, um indirekt CO2-Emissionen einzusparen. So erfüllen der verbaute Beton und Stahl gleich mehrere bauliche Funktionen, für die dann an anderer Stelle nicht noch einmal Baumaterial aufgewendet werden muss.

Hebel 6 – Brückenkorpus als Fundamentplatte: Der verbaute Beton und Stahl übernehmen für die Gebäude auf den Brücken die Funktion der Fundamentplatten, sodass andernorts auf neue Gebäude verzichtet werden kann.

Hebel 7 – Brückenbogenhäuser: In ferner Zukunft können die Frankfurter Brücken die Funktion der tragenden Konstruktion für Brückenbogen-Gebäude unter ihr übernehmen, wodurch für diese Gebäude weniger Baumaterial benötigt wird.

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Hebel 6 – Brückenkorpus als Fundamentplatte

Der Brückenkorpus ist baulich vielfältig nutzbar. Darunter fallen viele der bereits vorgestellten Funktionen und Nutzungsarten der Frankfurter Brücken.

Schließlich schaffen die Brücken mit rund 2 Mio. Quadratmetern Fläche ein neues Stückchen Frankfurt, auf dem Gebäude entstehen können, ohne dass für sie Fundamentplatten hergestellt werden müssen.

Die Gebäude auf den Brücken haben in Summe eine Baugrundfläche von rund 450.000 Quadratmetern.

Dafür müssten auf der grünen Wiese rund 180.000 Kubikmeter Beton (ca. 450.000 t Beton) angesetzt werden, die durch den Brückenkorpus als Fundamentplatte entfallen.

Konzepte zur materialeffizienten und ressourcensparenden Schaffung von Gebäudeflächen werden ein Thema der Zukunft sein.

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Geht man davon aus, dass pro hergestellter Tonne Beton etwa 135 kg CO2 anfallen, lassen sich durch die eingesparten Fundamentplatten in Summe 60.000 Tonnen CO2 kompensieren

Profis zu dem Thema

Wuppertal Institut    —    Fraunhofer-Institut für Bauphysik    —    Fraunhofer-Allianz Bau    —    International Resource Panel    —    World Resources Forum

Hebel 7 – Brückenbogenhäuser

Darüber hinaus ist auf einen Zeitraum von 100 Jahren oder mehr noch eine weitere Funktion von Anfang an baulich vorzusehen und einzuplanen:

Bei massiver Reduktion des Verkehrsaufkommens durch optimierte autonom fahrende Verkehrssysteme können die vormals vier- oder sechsspurigen Einfahrtsstraßen einer Stadt auf zwei Fahrzeugspuren und zwei Fahrradspuren reduziert werden.

Der freiwerdende Raum unter den Brücken (zwei oder mehr Fahrstreifen, von 6 oder mehr Metern Breite) kann stellenweise genutzt werden, indem man ihn zu Wohnraum ausbaut:

Dieser Wohnraum hat dann bereits Stützsäulen (die Stützen der Brücken), ggf. schon Wandbereiche (wenn es zuvor auf dem Mittelstreifen eine brückentragende Mittelwand gab) und ein „Dach“ (den Brückenkorpus).

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Die Frankfurter Brücken könnten in 50 bis 100 Jahren noch eine weitere Funktion bekommen: Gebäudezeilen unter den Brücken schaffen

Die Frankfurter Brücken verlaufen größtenteils über große vier- oder sechsspurigen Verkehrsstraßen. Würde eine Stadt ausschließlich autonom gesteuerten Verkehr haben, könnte sich die Zahl aller Fahrzeuge signifikant reduzieren (manche Prognosen erwarten bis zu 80 % weniger Fahrzeuge). Dann könnten manche Fahrspuren entfallen, und es wird Raum unter den Brücken frei, der zu Gebäudefläche umgewandelt werden kann, da Stützen und Dach schon vorhanden sind.

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In einem halben Jahrhundert (oder mehr) kann an vielen Stellen der Frankfurter Brücken die Hälfte des Brückenkorpus genutzt werden, um Wohnungen, Cafés oder Geschäfte hineinzubauen

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Alois Fischer
www.restaurant-markthalle.ch
www.lamariniereenvoyage.com

Auch Bildungsstätten, Kinderhorte oder Büroräume können unter den Brücken entstehen, wenn die Anzahl der Fahrzeuge in einigen Jahrzehnten drastisch gesunken ist

Da alle Stützen der Brücke geothermisch aktiviert sind, können die „Gebäude“ unter den Brücken energieeffizient mitgeheizt werden. Durch die von Anfang an eingebauten Anschlüsse an die Versorgungszentralen, die alle paar hundert Meter entlang der Brücke eingeplant sind, liegt auch schon die Versorgung mit Strom, Trinkwasser etc. bereit.

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84.000 Quadratmeter Gebäudefläche können für zukünftige Generationen unter den Brücken entstehen – ohne zusätzliche Mengen an Beton oder Stahl

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Die Areale mit Potential für Brückenbogen-Gebäude liegen in erster Linie an der Ringstrecke und den Anfängen der Außenarme – allerdings weiß man nicht, wie das Brückennetz in 50 Jahren aussieht: Vielleicht ergeben sich andernorts ebenfalls weitere Möglichkeiten für Einbauten unter den Brücken.

Veranschlagt wird in der Planung, dass rund 20 % der Strecke halbseitig unterbaut werden könnten: d.h. es entstehen bis zu 12 Kilometer laufende Gebäudezeilen mit rund 7 Metern Tiefe.

Das bedeutet: Rund 84.000 zusätzliche Quadratmeter Gebäudefläche können so entstehen, für die die tragende Struktur durch die Brücken bereits vorhanden ist, so dass ihr Bau bzw. ihr Ausbau kaum noch Beton oder Stahl benötigt.

Das Potential der Brückenbogenhäuser wird sich in der CO2-Bilanz der Frankfurter Brücken erst verzögert bemerkbar machen

Aufgrund des großen Zeithorizontes kann bei den Brückenbogen-Häusern die Abschätzung zur CO2-Ersparnis nur grob erfolgen:

Der Brückenkorpus, der den Brückenbogenhäusern als Decke dient, besitzt eine Mächtigkeit von 0,5 m. Bei einer Gesamtfläche von 84.000 Quadratmetern beläuft sich das Volumen des als Decke fungierenden Stahlbetons somit auf 42.000 Kubikmeter.

Bei den Pfeilern müssen hingegen größere Zugeständnisse gemacht werden. Denn die rund 3.000 Säulen, die von dem Brückenbogen-Einbau betroffen wären, sind für die Nutzungszwecke der späteren Brückenbogenhäuser in Bezug auf ihre Ausmaße überdimensioniert. Berücksichtigt man daher das Material von nur 1.000 Säulen, so kommen etwa 20.000 Kubikmeter Stahlbeton hinzu.

Mehr als 60.000 Kubikmeter Stahlbeton könnten in ferner Zukunft somit eine Doppelnutzung erfahren.

Die perspektivische Raumnutzung unter den Frankfurter Brücken muss im Vorfeld unter brandschutztechnischen und energetischen Gesichtspunkten geprüft werden.

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Da für jeden Kubikmeter Stahlbeton knapp 0,5 t CO2 anfallen, kann für die langfristige Option der Brückenbogenhäuser von weiteren rund 30.000 Tonnen CO2 ausgegangen werden, die sich bei späteren Bauvorhaben vermeiden lassen

Hebel 8: Auf der Brücke als zweite Ebene durch die Stadt kann ein modernes umweltfreundliches Verkehrskonzept der Zukunft realisiert werden

Zur Geltung kommt dabei die Tragfunktion der Brücken für autonomen Verkehr.

Hebel 8 – Optimierter Verkehrsfluss auf „zweiter Ebene“: Die Brücken tragen Verkehr auf „zweiter Ebene“, der auf einer proprietären Strecke fährt. Dadurch wird erstmalig ein effizientes autonom fahrendes System mitten in der Stadt möglich.

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Hebel 8 – Optimierter Verkehrsfluss auf „zweiter Ebene“

Der Verkehr auf den Frankfurter Brücken in Oldtimer-Optik und mit luxuriösem Innenausbau wird die Akzeptanz der Nutzung von nicht in eigenem Besitz befindlichen PKWs signifikant erhöhen. Durch autonom fahrenden Verkehr wird der Verzicht auf das eigene Privatfahrzeug zudem deutlich attraktiver, da sämtliche Sorge und der Aufwand für das eigene Auto durch diese Form des „Chauffeur-Transportes“ entfallen. Studien belegen, dass bei Komplettabdeckungen durch Carsharing 90 Prozent weniger PKW benötigt werden. Ein zentral gesteuertes System luxuriöser autonom fahrender Fahrzeuge wird somit sukzessive auch zum komfortablen „Car-Sharing“ auf den Straßen führen.

Die daraus resultierende CO2-Einsparung durch eine Reduktion von neu zu produzierenden Fahrzeugen in Deutschland kann im Rahmen der Machbarkeitsstudie nur abgeschätzt werden. Genauere Simulationen hierzu müssen im Rahmen der Planungsphase der Frankfurter Brücken erfolgen. Auf den Frankfurter Brücken sollen rund 50 Millionen Passagierfahrten pro Jahr abgewickelt werden.

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Die Abschätzung des Effektes von einer Reduktion der Anzahl neu zu produzierender Fahrzeuge in Deutschland wurde extrem konservativ mit 50.000 Tonnen CO2-Einsparung angesetzt

Profis zu dem Thema

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Hebel 9: Die Zahl der Tankmöglichkeiten für saubere Antriebsenergie wird durch die photovoltaische Stromproduktion auf den Frankfurter Brücken signifikant erhöht

Denn die Frankfurter Brücken sammeln Solarenergie in großem Maßstab ein, die in Form von Strom oder nach Umwandlung in Wasserstoff für Fahrzeugbesitzer in Frankfurt bereitgestellt wird.

Hebel 9 – Beschleunigung der Abkehr vom Verbrennungsmotor: Wenn durch ein dichtes Netz von preiswerten Tankmöglichkeiten mehr Fahrzeugbesitzer in Frankfurt früher auf saubere Antriebsenergie umstellen als von ihnen geplant, bedeutet dies eine unmittelbare Einsparung von fahrzeugbedingten CO2-Emissionen.

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Hebel 9 – Beschleunigung der Abkehr vom Verbrennungsmotor

Ein PKW mit Verbrennungsmotor, der 10.000 Kilometer im Jahr zurücklegt, stößt derzeit im Durchschnitt circa 1,5 Tonnen CO2 pro Jahr aus. Das bundesweite Ziel sieht vor, ab 2035 keine PKW mit Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen. Die PKW-Durchdringungsrate mit Wasserstoff- oder Elektroantrieb dürfte daher in den nächsten 20 Jahren auf bis zu 80 Prozent steigen.

Nach Fertigstellung der Frankfurter Brücken in circa 15-20 Jahren wird es in Frankfurt mit mindestens sieben weiteren innenstadtnahen Wasserstoff-Tankstellen und Ladestationen an allen Brückensäulen in Parkplatznähe ein sehr attraktives zusätzliches Angebot an Tankmöglichkeiten für Wasserstoff- und E-Autos geben.

Konservativ geschätzt dürfte dies zu einer Erhöhung der Durchdringungsrate der Fahrzeuge mit sauberer Antriebsenergie von circa 10 Prozent führen. Bei einer Fahrzeugzahl in Frankfurt von 386.000 (Stand 2020) sowie 400.000 Pendlerfahrzeugen können circa 78.000 Fahrzeuge bis zu drei Jahre früher auf saubere Energie umsteigen.

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Wenn aufgrund günstiger und weitverbreiteter Tankmöglichkeiten 80.000 Besitzer ihre Fahrzeuge rund zwei Jahre früher als geplant auf saubere Antriebsenergie umstellen, führt das zu einer Einsparung von etwa 240.000 Tonnen CO2

Profis zu dem Thema

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Hebel 10: Durch die auf den Frankfurter Brücken installierten Photovoltaikmodule kann Strom aus fossilen Brennstoffen substituiert werden

Auf den Frankfurter Brücken kann die urbane Energiewende realisiert werden:

Von Photovoltaik über Solarthermie und Abwärme bis hin zur Geothermie: Das komplette Potential der Stadt an erneuerbaren Energien kann genutzt und optimal austariert werden. Dadurch werden über viele Jahre hinweg die CO2-Emissionen aus Kohle- und Gasverbrennung signifikant verringert bzw. ersetzt werden.

Hebel 10 – Photovoltaik: Die Brücken sind eine exponierte Aufhängefläche für Photovoltaik. Der Korpus des Infrastrukturprojektes wird zur Gewinnung erneuerbarer Energien genutzt. Bei den Brücken dienen die Oberflächen (ästhetisch schön bzw. unsichtbar) als Photovoltaik-Park. Außerdem können sie durch ihre Netzstruktur auch entlang der Brücken generierten Solarstrom aufnehmen und zu Verbrauchern weiterleiten.

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Hebel 10 – Erneuerbare Energie von Photovoltaikmodulen

135 GWh Strom kann durch Photovoltaikmodule am Brückenkorpus jährlich generiert werden. Davon werden lediglich 115 GWh Strom auf den Brücken selbst verbraucht. Damit stehen der Stadt 20 GWh Restenergie in Form von Strom zur Verfügung.

Auf Seiten der Stadt wird die Produktion von 135 GWh Strom p.a. substituiert, für dessen Erzeugung mit derzeitigen Kraftwerken der Mainova rund 37.000 Tonnen Steinkohle oder 25 Millionen Kubikmeter Erdgas verbrannt werden.

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Energieversorgung durch Quartier-Photovoltaik wird wegweisend auf den Brücken entwickelt

Die komplette Vielfalt an Photovoltaiksystemen, inklusive (noch) teurer Systeme aus Forschung und Entwicklung, wird an den Brücken wie in einem „Schaufenster der Innovationen“ für andere potentielle Nutzer präsentiert und in ihrer Langzeitwirkung weiter erprobt. Die Brücken sind somit eine Anwendungsplattform, um die Welt der Photovoltaik weiterzuentwickeln.

Ebenfalls innovativ ist die optimierte Steuerung aller Energiekomponenten in dem Brücken-Quartier durch ein integriertes umfassendes KI-System: Das Quartier ist dadurch selbstversorgend und folgt quasi dem Funktionsprinzip, das man von Smart-Homes in kleinerem Maßstab kennt. Auch dies hat sodann für andere Quartiere Vorbildcharakter.

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Frankfurt will bis 2050 annähernd CO2-neutral werden und die Stromerzeugung durch Verbrennung fossiler Brennstoffe weitestgehend herunterfahren. Die jährliche Energieproduktion durch die erneuerbare Energie der Frankfurter Brücken dürfte mindestens über einen Zeitraum von 5 Jahren einen Substitutionsbeitrag hierzu leisten.

Wenn Verbrennungsprozesse der Mainova für die Produktion von 135 GWh Strom p.a. durch Erzeugung erneuerbarer Energie am Brückenkorpus entfallen bzw. substituiert werden, entspricht dies einer CO2-Einsparung von 60.000 Tonnen p.a. Bereits nach 5 Jahren beträgt die CO2-Einsparung somit in Summe 300.000 Tonnen

Hebel 11: Mithilfe der Pfeiler der Frankfurter Brücken kann durch geothermische Heizenergie die Energie aus fossilen Brennstoffe substituiert werden

Dadurch werden über viele Jahre hinweg die CO2-Emissionen verringert, die aus der Gasverbrennung für das Heizen von Wohnraum stammen.

Hebel 11 – Geothermie: Ein Großteil der 15.000 Pfeiler der Frankfurter Brücken wird zur Gewinnung von Energie genutzt, indem sie geothermisch aktiviert werden und so die Gebäude auf den Brücken heizen und kühlen können.

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Hebel 11 – Heizen und Kühlen mithilfe von Geothermie

Die Nutzung oberflächennaher geothermischer Energie wird direkt schon beim Erstellen der Brücke vorgesehen: in die 15.000 Pfeiler der Brücken werden beim Bau Erdwärmesonden eingefügt. Grundsätzlich ist die nachträgliche Integration von geothermischen Sonden in ein Bauwerk mit extrem hohem Aufwand verbunden, weshalb das Heizen mit fossilen Brennstoffen noch deutlich länger von Bedeutung sein wird als die Kohle- oder Gasverstromung.

Zur Verwendung von oberflächennaher Geothermie kommt noch die Nutzung von der Abwärme der Rechenzentren rechts und links der Brücken durch das Geothermie-Leitungssystem, das die Pfeiler miteinander verbindet.

Die konsequente Ausstattung aller Gebäude auf den Brücken mit Flächenheizungen und Kühldecken erfüllt die Voraussetzung für die Nutzung dieser Niedrigtemperatur-Energie.

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Mit oberflächennaher Geothermie kann man heizen und kühlen

Im Winter befördern die Leitungen in den Erdpfählen ihre Sole-Flüssigkeit nach oben, die mit bis zu 14 Grad wärmer ist als die Außentemperatur. Die Sole-Flüssigkeit gibt ihre Wärme aus dem Boden an einen Wärmetauscher ab, wo mithilfe einer Wärmepumpe das Heizungswasser für Gebäude auf eine Vorlauftemperatur von 50 Grad erhöht werden kann.

Damit der Boden nicht auskühlt, wenn jeden Winter Wärme entzogen wird, muss das Erdreich um die Pfähle im Sommer thermisch „regeneriert“ werden: Dies geschieht, indem der oben beschriebene Prozess umgekehrt verläuft: Die Sole-Flüssigkeit fließt im Sommer durch Solarmodule auf der Sonne ausgesetzten Oberflächen und kommt so erwärmt in den Boden zurück. Dadurch kann sich der Boden vom Wärmeentzug in der Winterzeit erholen und wird für den nächsten Winter vorbereitet.

 

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Damit wird auf Seiten der Stadt die Produktion von 15 GWh thermischer Energie p.a. die Verwendung von Erdgas ersetzen. Die substituierte Menge Erdgas verursacht bei Verbrennung eine CO2-Emission von rund 3.000 t p.a. Nach 10 Jahren beträgt die CO2-Einsparung somit in Summe 30.000 Tonnen

Die Hebel zur CO2-Einsparung greifen nicht alle auf einmal, sondern werden zu unterschiedlichen Zeitpunkten bzw. über verschiedene Zeiträume hinweg wirksam.

Hinzu kommt ein weiterer zeitlicher Aspekt bei der Betrachtung, inwieweit bei einem Infrastrukturprojekt, wie den Brücken, CO2-Einsparungen zukünftig maximiert werden können. Bis die Frankfurter Brücken nämlich nach Abschluss der mehrjährigen Planungsphase gebaut werden, werden Infrastruktur-Projekte in Deutschland generell weniger CO2-Emissionen verursachen: zum einen durch den Fortschritt in Forschung und Entwicklung für sämtliche Materialien und zum anderen durch den immer weiter fortschreitenden Ausbau und die optimierte Nutzung von erneuerbaren Energien.

Frankfurt hat mithilfe der Frankfurter Brücken die Chance, seine ehrgeizigen CO2-Reduktionsplane bis 2050 zu erreichen.

Die jeweiligen Effekte der 11 Hebel werden zu unterschiedlichen Zeiten wirksam

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Wenn alle Register gezogen werden, können rund drei Viertel der 1,5 Mio. Tonnen CO2-äquivalenten THG-Emissionen vom Bau der Frankfurter Brücken eingespart bzw. kompensiert werden

Das ergibt die grobe Ersteinschätzung aus heutiger Perspektive, die auf der überschlägigen und teils abstrahierten Quantifizierung aller denkbaren Einsparoptionen fußt. Die 11 Hebel im Überblick:

Kenny Lam

CO2-Reduktion durch Verbau regionaler Natursteine und Holz – direkt beim Bau realisierbar

An manchen Abschnitten der Frankfurter Brücken kann zum Teil oder sogar gänzlich auf Stahl und Beton verzichtet werden. Dort, wo es die statischen Anforderungen erlauben, können regional verfügbare Materialien wie Natursteine und Holz verbaut werden, wodurch deutlich weniger CO2-Emissionen entstehen. Wendet man einen Mix von Nicht-Stahlbeton-Materialien in allen dafür geeigneten Abschnitten der Brücke an, kann man die CO2-Emissionen um weitere 55.000 Tonnen reduzieren.

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CO2-Reduktion durch Einsatz von Ökobeton – direkt beim Bau realisierbar

Neue Rezepturen in der Zementindustrie werden die CO2-Emissionen von Beton zukünftig weltweit senken können – vorausgesetzt, sie werden unter realen Bedingungen getestet. Genau hier treten die Frankfurter Brücken auf den Plan – als Schaufenster der Innovationen. Die Brücken leisten deshalb vielmehr einen Beitrag zur weltweiten Reduktion von Zement-bedingten Emissionen als dass es bereits bei ihnen selbst zu einer signifikanten Größenordnung kommen dürfte. Daher wird hier lediglich eine Einsparung von 20.000 Tonnen angesetzt.

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CO2-Reduktion durch Verwendung von Carbon- statt Stahlbewehrung – direkt beim Bau realisierbar

Ersetzt man den Bewehrungsstahl im Beton durch Carbon, kann ein Großteil der für die Bewehrung anfallenden CO2-Emissionen vermieden werden. Sobald Carbonbewehrung nicht mehr in erster Linie mit Erdöl hergestellt wird, sondern es nachhaltigere Einsatzstoffe dafür gibt, wird es einen signifikanten Beitrag zur CO2-Reduktion weltweit leisten können. Auf den Frankfurter Brücken ist bislang nur eine Teilsubstitution veranschlagt worden, weshalb dafür auch nur mit einer Einsparung von 35.000 Tonnen gerechnet wurde.

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CO2-Reduktion durch wasserstoffbasierte Stahlproduktion – direkt beim Bau realisierbar

Der Stahl, der für die Frankfurter Brücken verbaut wird, sollte idealerweise aus solchen Herstellungsprozessen stammen, in denen durch innovative wasserstoffbasierte Verfahren kaum noch CO2-Emissionen anfallen. Zwar wird derart produzierter Stahl schon in den nächsten Jahren zunehmend verfügbar sein. Angesichts der zu erwartenden Lieferengpässe von Grünem Stahl wurde die CO2-Ersparnis für die Frankfurter Brücken vorsichtshalber auf 265.000 Tonnen limitiert.

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CO2-Reduktion durch Carbon Capture bei der Zementherstellung – direkt beim Bau realisierbar

Indem bei der Zementherstellung der durch Elektrolyse gewonnene Sauerstoff zur Abscheidung des CO2 genutzt wird, kann die Klimawirksamkeit für einen Teil der entstehenden Treibhausgase unterbunden werden. Der Beton erhält dadurch eine bessere CO2-Bilanz. Da das Verfahren momentan noch in der Erprobungsphase steckt, wurde für die Frankfurter Brücken eine konservative Einsparung von 50.000 Tonnen CO2 angenommen.

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CO2-Reduktion durch vielfältige Nutzung des Brückenkorpus – mittelfristig wirksam

Der Brückenkorpus erfüllt für die Gebäude auf den Brücken die Funktion der Fundamentplatten. Würde man den Wohnraum auf der grünen Wiese bauen, müsste man dort den Beton verbrauchen. Somit sind rund 60.000 Tonnen CO2 des Brückenkorpus den Gebäuden anzurechnen – und nicht den Frankfurter Brücken.

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CO2-Reduktion durch Photovoltaik – mittelfristig wirksam

Auf den Frankfurter Brücken findet die urbane Energiewende statt. Allein mithilfe der Solarmodule für Photovoltaik und Solarthermie können jährlich bis zu 135 GWh Strom aus fossilen Energiequellen substituiert werden. Vor dem Hintergrund der Klimaziele Frankfurts, bis 2050 klimaneutral zu werden und auf die Verbrennung von Steinkohle und Erdgas zu verzichten, dürften die Frankfurter Brücken noch für mindestens 5 Jahre eine kompensatorische Rolle im Bereich der Energieversorgung spielen. Eine CO2-Ersparnis von insgesamt 300.000 Tonnen ist daher realistisch.

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CO2-Reduktion durch Geothermie – mittelfristig wirksam

In einem Großteil der Pfeiler der Frankfurter Brücken sind schon im Vorhinein Erdwärmesonden integriert, sodass sie geothermisch aktiv sind und saubere Energie für die Beheizung und Kühlung der Gebäude auf den Brücken liefern. Auf diese Weise lassen sich jährlich bis zu 15 GWh thermischer Energie aus der Verbrennung von Erdgas substituieren. Da die Umstellung auf geothermische Systeme für den Gebäudebestand Frankfurts noch sehr viel Zeit in Anspruch nehmen wird, werden die Frankfurter Brücken noch für mindestens 10 Jahre eine Kompensationsleistung für andere Heizsysteme erbringen können, weshalb eine Einsparung von rund 30.000 Tonnen CO2 plausibel erscheint.

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CO2-Reduktion durch saubere Antriebsenergien – mittelfristig wirksam

In Zeiten der Verkehrswende werden die Frankfurter Brücken mit ihren sieben Wasserstoff-Tankstellen und unzähligen Ladesäulen ein zusätzlicher Impulsgeber in puncto saubere Antriebstechnologien sein. Dadurch wird ein beschleunigter Umstieg vom Verbrennungsmotor auf Wasserstoff- und Elektro-Autos zu beobachten sein. Auf zwei Jahre gerechnet kann den Frankfurter Brücken eine mögliche Ersparnis von etwa 240.000 Tonnen CO2 zugeschrieben werden.

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CO2-Reduktion durch autonom fahrenden Verkehr – langfristig wirksam

Der autonom fahrende Verkehr auf den Frankfurter Brücken wird zu einem erheblichen Rückgang an Privatfahrzeugen führen, sodass langfristig weniger Autos hergestellt werden müssen. Aufgrund der Ungewissheit über das Ausmaß des Effektes wurde die CO2-Einsparung mit einem sehr konservativen Wert von 50.000 Tonnen beschrieben.

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CO2-Reduktion durch potentielle Brückenbogenhäuser – langfristig wirksam

Unter den Brückenbögen können (in ferner Zukunft) Gebäudeflächen entstehen. Für diese Gebäude entfallen Konstruktionsbestandteile aus Stahl und Beton, da Decken und Pfeiler bereits existieren. Vom CO2-Abdruck der Brücken können daher 30.000 Tonnen abgezogen werden.

Unabhängig von den Brücken: Durch den Fortschritt in der Technologie bis zum Baubeginn der Frankfurter Brücken sind weitere CO2-Einsparungen potenziell zu erwarten, die in der Kalkulation hier jedoch nicht berücksichtigt wurden

Summiert man die sorgfältig abgeschätzten Einsparungen aller 11 Hebel auf, so ist auch klar: 395.000 Tonnen CO2 verbleiben – allerdings zum Stand 2022, mit Technologien aus 2022. Die Forschung und Entwicklungen zur CO2-Reduktion beim Bauen schreiten zügig voran.

Bis zum Baubeginn der Frankfurter Brücken in 2027 könnten weitere Technologien ausgereift sein, mit deren Hilfe die Brücken klimaneutral, vielleicht sogar klimapositiv werden können.

Dies ist in den CO2-Einsparungshebeln nicht mit berücksichtig worden: Die Hebel nennen ausschließlich Potentiale, die in einem Bezug zum Brückenkonzept stehen.

Ein weiteres Potential unabhängig vom Brückenkonzept: CO2-Reduktion bei der Herstellung von Beton durch massiveren Einsatz von erneuerbaren Energien

Infrastruktur-Projekte beziehen ihren Beton für gewöhnlich aus der Region, um den Transport-Aufwand für die Materialmassen so gering wie möglich zu halten.  Produziert man den Zement in den regional ansässigen Betonwerken mithilfe der Überschüsse aus regional erzeugter erneuerbarer Energie, so entsteht „grüner Zement“: Es müssen dazu allerdings Stromleitungen von Solar- und Windparks zu den Werken hin verlegt werden. Da dies einen beträchtliche Investition in die Leitungsinfrastruktur erfordert, lohnt sich eine solche regionale Maßnahme nur, wenn Projekte in der Größenordnung wie die Frankfurter Brücken oder zum Beispiel der Fernbahntunnel Frankfurt als Abnehmer anstehen. Und selbst dann sind Stromleitungstrassen aufwendig. Außerdem ist der Strom von Wind- und Solarparks meistens schon auf Jahre verkauft, noch bevor die Parks erbaut sind. Der Zement für die Frankfurter Brücken sollte daher mithilfe von „Energiebändern“ hergestellt werden: Diese leiten Strom, der photovoltaisch entlang von Autobahnen erzeugt wird, zu Industrieunternehmen –  zum Beispiel zu den Werken von HeidelbergCement.

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Durch die Installation von Energie-Bändern an Autobahnen und Bundesstraßen kann Frankfurt seine Energieversorgung durch fossile Kraftwerke schneller reduzieren

Entlang von Bundesstraßen und Autobahnen können Photovoltaik-Bänder aufgebaut werden, deren Strom direkt zu den jeweiligen Abnehmern geleitet werden kann: Dies können Industriewerke, Ladestationen für E-Autos oder auch Wassertankstellen etc. im Rhein-Main-Gebiet sein. Überschüssiger Strom der Energiebänder wird in unterirdischen Wasserstoff-Tanks rechts und links der Straßen gespeichert.

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Sobald das Konzept der Frankfurter Brücken umgesetzt wird, führen sowohl die dabei realisierten Ideen als auch die zusätzliche geschaffene Brücken-Infrastruktur zu weiteren CO2-Einsparungen in Frankfurt

Die Nachhaltigkeit des Brückenkonzeptes bzw. der Brücken sollte nicht nur isoliert betrachtet werden, sondern auch in seiner Auswirkung auf den Rest der Stadt:

Wird zum Beispiel an den Frankfurter Brücken Photovoltaik angebracht, so muss sie innenstadtnah ästhetisch schön oder unsichtbar sein, da dies wie eine Schaufläche für andere Hausbesitzer dazu anregt, dass mehr Photovoltaik im gewachsenen Stadtgebiet installiert wird. Oder nutzen die Menschen erstmal ohne Bedenken autonom fahrende Fahrzeuge auf den Frankfurter Brücken, dann fällt ihnen auch das Einsteigen in autonom fahrende Fahrzeuge auf der Straße irgendwann deutlich leichter. So helfen die innovativen Ansätze auf den Brücken bei der Realisierung dieser Innovationen im Bestand neben und unter den Brücken.

Ganz konkret kann die Brücken-Energieerzeugung Abnehmer im Bestand der Stadt mitversorgen: Die Überschüsse von Strom an sonnigen Tagen kann für Elektroautos an den Säulen der Brücke zum Aufladen verfügbar gemacht werden; die geothermische Energie kann ebenso wie ihr Leitungssystem auch für Gebäude rechts und links nutzbar gemacht werden. Dieser direkte Beitrag der Brücken zu den CO2-Einsparungen für Frankfurt ist potentiell noch weiter ausbaubar.

Zukunftsvision für Frankfurt: die Stadt wird CO2-neutral

Ein bodennahes Geothermie-System versorgt nicht nur die Brücken und Anwohnergebäude (mit aktivierten Gebäudeflächen) mit Heiz- und Kühlsole, sondern dient auch als Leitungssystem für Abwärme von Rechenzentren und anderen Wärmequellen aus dem Abwärmekataster Frankfurt.

Photovoltaik ist auf Neubauten und städtischen Flächen unsichtbar überall integriert und über intelligente Steuerungssysteme reduziert sie in der ganzen Stadt den Strombedarf. Darüber hinaus reduziert sie die Speicherverluste durch intelligente Spitzenlast-Nutzung und bidirektionale Stromnutzung mit Fahrzeugen.

Die Säulenlandschaft der Frankfurter Brücken mit ihrem Angebot von tausenden von Lademöglichkeiten an den Parkplätzen neben den Säulen haben zu einer hohen Durchdringung mit Elektro-Autos geführt. Die 8 Wasserstoff-Tankstellen der Brücken in allen Himmelsrichtungen haben die Zahl der Wasserstoff-Autos ebenfalls wachsen lassen. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gibt es kaum noch.

Autonom fahrender Verkehr ist in der Stadt eingeführt. Wenn Fahrzeuge von außerhalb kommen, klinken sie sich bei Einfahrt in das Stadtgebiet in das zentrale Steuerungssystem ein, und der Fahrer hinter dem Steuer kann sich entspannt zurücklehnen.

Begrünte Flächen in der Stadt, ermöglicht durch das Bewässerungssystem der Frankfurter Brücken, reduzieren den CO2-Gehalt der Luft um bis zu 200 Tonnen pro Quadratkilometer p.a. Von den 250 km2 Stadtfläche konnten vor allem die Verkehrswege (50 km2) zu 25 % entsiegelt und begrünt werden. Weitere 10 Quadratkilometer kommen durch Fassaden- und Dachbegrünungen hinzu.

Wenn die energiesparenden Konzepte der Frankfurter Brücken sukzessive auf die Stadt übergreifen, könnte Frankfurt sein CO2-Masterplanziel bis 2050 erreichen

Energiereferat Stadt Frankfurt am Main / F.A.Z.

Fazit: Mit den Frankfurter Brücken hat Frankfurt eine Chance bis 2050 sein Ziel der CO2-Neutralität zu erreichen

Ebenso wie bei anderen großen Infrastrukturprojekten werden auch beim Bau der Frankfurter Brücken große Mengen CO2 freigesetzt, die hauptsächlich bei der Herstellung des benötigten Betons und Stahls entstehen.

Um die schädlichen Auswirkungen auf das globale Klima so gering wie möglich zu halten, werden daher alle verfügbaren Möglichkeiten (Hebel) in Betracht gezogen, durch welche das potentiell emittierte Treibhausgas von circa 1,5 Mio. Tonnen CO2 um rund drei Viertel auf 395.000 Tonnen CO2 reduziert werden kann.

Die Gesamtersparnis aller CO2-Einsparoptionen für die Frankfurter Brücken beläuft sich demnach auf rund 1,1 Mio. Tonnen CO2.